Am Donnerstag, den 9. Oktober 2025, war die palästinensische Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser wieder zu Gast in Wien und sprach im Rahmen einer Abendveranstaltung über die aktuelle Situation im Westjordanland und die derzeit stattfindenden Friedensgespräche. Moderiert wurde der Abend von der in Österreich lebenden Palästinenserin, Theologin und Autorin Viola Raheb.
Die Abendveranstaltung fand im Albert-Schweitzer-Haus statt und war mit 160 Personen sehr gut besucht. Das zeugt vom Interesse am Thema bzw. an Sumaya Farhat-Naser und ihren klärenden Worten zur Situation im Westjordanland, in Gaza und dem Verhältnis zu Israel.
Sumaya Farhat-Naser begann damit, dass sie über ihre Anreise von Palästina nach Österreich berichtete. Den Flughafen Tel Aviv darf sie, obwohl dieser nur 40 km von ihrer Heimatstadt Birzeit entfernt ist, nicht benützen. Er ist für Palästinenser:innen gesperrt. Sie müssen den Flughafen in der jordanischen Hauptstadt Amman verwenden. Sumaya erzählte von einer stundenlangen Anreise zum Flughafen und davon, dass sie für den Weg dorthin mehr zahlte, als für den Flug nach Österreich.
Sie informierte die anwesenden Zuhörer:innen vom Leben im Westjordanland, dass z.B. Palästinenser:innen heute sieben unterschiedliche Identitätskarten haben und diese sich auf den Wohnort beziehen, wie Westbank, Galiläa, Gaza usw.. Dies kann dazu führen, dass Palästinenser:innen mit unterschiedlicher Identitätskarte untersagt ist zusammenzuleben, da sie aus verschiedenen Gebieten kommen. Die Besatzung liese das nicht zu. Das Recht auf Familienzusammenführung gibt es nicht.
Besonders problematisch sieht Sumaya Farhat-Naser, die Wasserversorgung im Westjordanland. Sieht man Gebäude mit großen Wassertanks am Dach, so weiß man, dass hier eine palästinensische Familie wohnt. Denn sie sind von Wasserlieferungen abhängig, während die israelischen Siedler Fließwasser haben. Der Preis für Wasser sei außerdem um ein vielfaches teurer für palästinensische Haushalte.
Die international anerkannte Autorin und Preisträgerin von zahlreichen Auszeichnungen, unter anderem dem Bruno-Kreisky-Preis, berichtete wie die Bewegungsunfreiheit in den letzten zwei Jahren zunahm, was vor allem auf die neu installierten 1600 Eisentore zurückzuführen ist. Sie wurden vor einiger Zeit durch die israelischen Behörden um jedes Dorf und jede Stadt errichtet. Die Enkelkinder von Sumaya besuchen eine Schule im Nachbarort, der etwa 10 Busminuten entfernt ist. Nachdem die Eisentore selten geöffnet werden und niemand weiß wann, verbringen die Kinder oft Stunden damit vor den Toren zu warten.
Für Sumaya Farhat-Naser wurde das Wort „Frieden“ entleert. So lange setzt sie sich schon dafür ein. Dabei hat sie auch mit israelischen Friedensaktivistinnen zusammengearbeitet, mit manchen von ihnen ist sie noch immer befreundet. Frieden und Gerechtigkeit gehören für sie zusammen: Wenn Mensch nicht Mensch ist, dann gibt es weder Gerechtigkeit noch Frieden.
Um den Frieden zu ermöglichen, geht Sumaya in Schulen und arbeitet dort mit den Schüler:innen. Sie arbeitet aber auch mit den Eltern und berät sie, wie sie mit den Sorgen ihrer Kinder und der ständigen Bedrohung der Eskalation der Situation im Westjordanland umgehen sollen.
Das Leben in Palästina sei nicht einfach. Die palästinensische Autonomiebehörde hat keine Mittel um die Verwaltung für die Bürger:innen aufrecht zu halten. Gebühren, die eigentlich der Behörde zustehen, werden von der israelischen Besatzungsmacht nicht ausbezahlt. Fehlende Mittel für Beamtengehälter führen dazu, dass Parteienverkehr und Administration kaum oder gar nicht funktionieren. Sie beschreibt das Alltagsleben unter der israelischen Besatzung und wie es sich in den vergangenen Jahren verschlimmert hat.
Die Moderatorin Viola Raheb unterstreicht, wie wichtig es sei, die Sachen zu benennen. Wenn Frieden nicht auf humanitärem und unter Einhaltung von internationalem Recht passiert, dann wird dieser nicht halten. Ein Zeitplan bis wann Dinge umgesetzt werden ist unbedingt nötig und eine schnelle Verbesserungen im täglichen Leben, damit Menschen sehen, dass es in die richtige Richtung geht.
Zum Abschluss las Sumaya Farhat-Naser das folgende Gedicht des jüdischen Rabbiners Shalom Ben-Chorin vor: Trotz allem und allem zum Trotz.
Wer Frieden sucht,
wird den Anderen suchen
wird zuhören lernen
wird das Vergeben üben
wird vorgefasste Meinungen zurücklassen
wird das Wagnis eingehen
wird an die Änderung des Menschen glauben
wird Hoffnung wecken
wird dem Anderen entgegen kommen
wird zu seiner eigenen Schuld stehen
wird geduldig dranbleiben
wird selber vom Frieden Gottes leben –
Suchen wir den Frieden!?
(Shalom Ben- Chorin)
Das gesamte Gepräch kann über der Seite des ASH-Forums nachgehört werden: https://www.ash-forum.at/site/blog/artikel/article/350.html
Eine Veranstaltung des ASH-Forums der Zivilgesellschaft und der Frauensolidarität in Kooperation mit dem Weltgebetstag der Frauen, Frauenhetz, WILPF und WIDE.
Fotos: ASH-Forum





